Gottfried Benjamin               Sonett im Sonett

Hancke

 

Die schöne Clelia befiehlt mir, ungesäumt

Ein richtiges Sonett er tempore zu machen.

Er tempore, mein Kind? Du zwingest mich zu lachen.

Er tempore? Fürwahr, ich weiß nicht, ob dir träumt.

 

Der Pegasus wird nicht so leichtlich aufgezäumt,

Man lernt die Poesie durch viele Müh und Wachen.

Es ist nicht etwa so wie mit den Weibersachen;

Drum ist auch ein Sonett nicht alsobals gereimt.

 

Gesetzt, ich wollt es tun, so find ich neue Sorgen,

Weil mir dein schöner Mund das Thema nicht entdeckt.

Vielleicht von deiner Brust? Die bleibt mir stets verborgen.

 

Von deiner Lippen Pracht? Die hab ich nie geschmeckt.

Von meiner Liebesqual? Die suchst du nicht zu heilen.

Doch das Sonett ist da: Es sind schon vierzehn Zeilen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gottfried Benjamin               Sonett auf den Knaster-Toback

Hancke

 

Du unvergleichlicher und lobenswerter Knaster,

Erlaube, daß mein Kiel an deine Kraft gedenkt.

Du bist das süße Kraut, das uns der Himmel schenkt.

Macht man gleich deinen Dampf zu einem großen Laster,

 

So stopf ich doch getrost der Pfeifen Alabaster,

Und wenn der Sorgen Last mein müdes Herze kränkt

So rauch ich, bis der Dampf mich in den Schlaf versenkt,

Und also bleibest du mein sichres Heilungspflaster.

 

Dein bald verschwundner Dampf zeigt mir das Nichts der Welt.

Dein Kraut stammt ebenfalls, wie ich, aus schlechter Erde,

Und wenn die Pfeife mir aus meiner Hand entfällt,

 

So denk ich, daß ich auch vielleicht bald sterben werde.

Zuleßte, wenn ich nun mein Pfeifchen ausgefüllt,

So zeigt die Asche mir mein eignes Ebenbild.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gottfried Benjamin               Sonett auf das Mein und Dein

Hancke

Verhaßtes Brüder-Paar! verdammtes Mein und Dein!

Wie lange soll die Welt dein hartes Joch ertragen?

Woher kömmt Tyranney mit allen ihren Plagen?

Woher kommt Krieg und Streit, als nur von dir allein?

 

Vor diesem hatte man so Geld, als Gut gemein,

Da wußte noch die Welt vom Kummer nichts zu sagen;

Doch da sich Mein und Dein stets mit einander schlagen,

So ist das Leben nichts, als Unruh, Zanck und Pein.

 

Wenn nicht so Mein als Dein die Welt bezaubert hätte,

So wär kein Advocat und Richter in der Welt;

Doch da der Zeiten Lauff durch das verdammte Geld

 

Die Welt noch mehr erhitzt, so zanckt man um die Wette.

Drum seht ihr Klugen doch mit Uberlegung an,

was eine Sylbe nicht vor Unheil schaffen kan.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gottfried Benjamin               Auf ein leeres Faß, worinnen Ungarischer Wein gewesen

Hancke

Man bringt den Zapffen her! die Vögel sind entflogen.

Ich gucke tausend mahl ins leere Faß hinein,

Jedoch was hilfft es mich? ich fühle neue Pein,

Ich such, und finde nichts, und werde nur betrogen.

 

Der Zunge heisser Durst hat mich dazu bewogen,

Daß ich nicht ohne Lust den Ungarischen Wein

Aus dir, du leeres Faß, zu zeitig ausgezogen;

Ach wärst du doch so groß, wie das zu Königstein!

 

Ihr aber, die ihr noch auf hohen Schulen lehrt:

Daß sich kein Vacuum auf dieser Welt befinde,

Ihr, deren offtermahls noch unerwiesne Gründe

 

Der Jugend Unverstand als ein Geheimnüß hört;

Ihr, sag ich, bleibet doch trotz eurer weißheit dumm:

Guckt in mein Faß hinein; ist da kein Vacuum?